Versuchen zum gegenüberliegenden Gebäude zu springen? Denn wie kann es sein dass gerade wenn es nichts mehr zu verlieren gibt, dann geschehen die Wunder? Denn wer wagt gewinnt, so ist es immer bei besonderen Operationen. Aber dann schaue ich in die Dunkelheit runter runter und runter und mir scheint es ist noch viel tiefer und schwärzer als ich mich erinnerte, und ich bin plötzlich nicht wirklich sicher wie viele Stockwerke das Gebäude hat in dem ich wohne. Und dann scheint mir dass ich mich erinnere, dass ich irgendwas gehört habe was die Nachbarinnen tratschten, irgendwann als ich die Treppen hochging, dass sie noch ein paar Stockwerke hinzugefügt haben, und noch ein paar Nachbarinnen, und das ist schon sehr gefährlich geworden. Und ich denke dass es reicht wenn ich zum Fenster nebenan komme, in meinem Gebäude, und bei ihnen reinkomme und in einer anderen Wohnung bin, der nichtjüdischen Nachbarin. Sie ist die Beste, man sieht es ihr an (obwohl ich sie nicht wirklich kenne). Und ich versuche auf irgendeinem sehr sehr schmalen Geländer zu gehen, das Gleichgewicht haarfein bis zum Äußersten, langsam langsam mit dem Körper an die Ziegel gepresst Ferse an Zeh ohne plötzliche Bewegungen sich alle Zeit der Welt nehmen es ist das Risiko nicht wert, richtig wie eine Schnecke ans Gebäude geklebt und spüre wie das harte Skelett des Gebäudes eigentlich versucht mich mit Newtons Gegenkraft nach unten zu drücken, und ich schaffe es nicht mich an dieses Naturgesetz zu erinnern, warum habe ich in Physik nicht aufgepasst, und hoffe dass ich keinen Fehler mache aber umarme die Wand als ob ich versuche in sie einzudringen, streichle die Ritzen der Ziegel, schmecke fast den Stein so sehr sind meine Lippen daran gepresst, und der Geschmack der Kreide berührt mich, als ob ich alle Wörter an der Tafel im Unterricht abgeleckt hätte um alles zu löschen, und schließlich höre ich vom Fenster nebenan Geräusche bei denen man sich nicht täuschen kann. Und eine heftige Sexszene offenbart sich vor mir, plötzlich mitten im Holocaust, echte Pornografie, voyeuristisch, nicht gefälscht, jetzt kann man endlich wissen wie andere es wirklich machen, und nicht als Show für andere, zum ersten Mal im Leben. Ein Mensch kennt seine Nachbarn nicht wirklich, bis er vor den Nazis flieht. Und da ich nicht reinkommen kann solange sie wach sind, selbst zu den kleinsten Stunden (das ist was sie machen!), dann muss ich am Fenster kleben bleiben in der Dunkelheit - sehend und unsichtbar - sogar gegen meinen Willen, und deshalb ist es wirklich in Ordnung. Es ist sogar meine moralische Pflicht dort zu bleiben um zu überleben, und geschlossene Augen sind ein Privileg das ich in meiner Lage mir nicht leisten kann, also hier - sogar ohne Schuldgefühle. Erlaubt, erlaubt! Pornografie die Lebensrettung ist. Und ich sehe die nackte Frau die Schickse dort verrückt werden vor Lust mitten im Holocaust, die schweren Brüste fliegen in alle Richtungen in einem hypnotisierenden Tanz, als ob sie mir etwas signalisieren das ich nicht entziffern kann, buchstabieren mir heimlich eine Sprache aus runden rosa rot gepunkteten Buchstaben mit den Brustwarzen die dagegen leicht und luftig sind bis sie fast fliegen und schwer zu folgen sind, dieser Sprache die nicht für mich bestimmt ist, und die ich nie wissen und verstehen werde, obwohl ich es so sehr will, als ob mein Leben davon abhinge. Und er versucht ihr den Mund zuzuhalten damit man sie nicht hört, aber ich der so nah bin schlürfe die wunderbaren Geräusche, und mein Glied beginnt sich unkontrolliert zu verhärten, in so einem wilden Sprung gerade weil es so unerwartet und unvorhersehbar ist, dass die Sache so enden wird, und es bricht aus mir heraus mit gewaltiger Lebenskraft und es tut weh und ist auch angenehm und es ragt hervor wie ein Soldat bei einem nächtlichen Alarm und drückt mich immer weiter vom Fenster zurück und ich verliere das zerbrechliche Gleichgewicht - und falle und sterbe im Holocaust.
Und kommt nicht raus. Und ich sage schade um die Hand aber noch mehr schade um den Körper, besser eine Hand zu verlieren, und springe durch das Fenster. Und das festsitzende Regenrohr beginnt sich mit schrecklichem Stöhnen von der Wand zu lösen zusammenzubrechen das die Nazis sicher hören, und ich kann mich nicht zurückhalten obwohl es unlogisch ist und sage ihm psst, psst, vielleicht denken sie es sind die Nachbarn, und tatsächlich schreien auch die Nachbarinnen psst, psst, wer weckt hier mitten in der Nacht, und ich und das Regenrohr vollenden eine halbe Drehung, und hopp fliege ich wieder durchs Fenster, nach unten, aber diesmal zurück ins Gebäude, und lande sanft im Bett der dicken Tochter der Nachbarn die älter ist als ich, die ich immer auf der Treppe anschaue und sie ist sicher dass ich sie anschaue und macht mir Augen weil ich der Einzige bin der sie anschaut obwohl ich im Leben nie etwas wagen würde aus Angst dass man mich mit so einem Wal sieht und ich nicht wüsste wo ich mich vergraben soll, kurz gesagt gibt es zwischen uns eine ungelöste Spannung von der ich nicht mal sicher bin ob sie gegenseitig ist, und jetzt gibt es zwischen uns auch ein Regenrohr. Und sie versteht sofort (dumm ist sie nicht), du bist der Jude von oben stimmt's? Und sie will mich überraschenderweise statt zu schreien sogar verstecken (!), ist bereit sich für mich in Gefahr zu bringen, ach sie ist jetzt so eine Gerechte unter den Völkern und süß jetzt wo ich sie kennenlerne bin ich ganz dankbar und voller warmer Zuneigung für sie, obwohl das Einzige ist dass sie mich in ihren Fettpolstern umarmt, oder ich zumindest in ihnen liege (es ist so weich dass man es kaum weiß), denn es stellt sich heraus dass die Dame im Sommer nackt schläft, sicher ist ihr nachts heiß, oder zumindest finde ich das Kleidungsstück nicht zwischen all den Falten - des Fetts. Und sie schaut mir in die Augen kein Wort muss gesagt werden sie versteht und legt mir die Hand auf den Mund: psst, die Deutschen sind oben. Und sie steht auf und schließt das Fenster und verschließt die Tür ihres Zimmers mit dem Schlüssel weil ihre Eltern zu Hause sind und ich bin geschützt und sie sagt (sie weiß anscheinend was zu tun ist): Ich verbiete dir rauszugehen, und von jetzt an tust du alles was ich sage, verstanden? Und ich nicke dankbar und verstehe dass ich völlig von ihr abhängig bin, und versuche zu denken was an ihr anziehend ist weil mir klar ist dass ich jetzt nicht wählerisch sein darf und dass jede Zuneigung die ich in ihr wecke zu meinem Vorteil sein wird und je echter es meinerseits ist desto besser wird es funktionieren mich zu retten und tatsächlich kann ich die Anziehung schon richtig spüren, und ich lege mich neben sie und decke mich zu und sie sagt: Hab keine Angst, niemand wird reinkommen.
Und ich sage: Wie lustig dass es so passiert ist, ich habe davon in den Nächten geträumt.Und ich sage danke gnädige Frau, ist es in Ordnung wenn ich Sie beim Vornamen nenne?Und sie öffnet die Augen: Wirklich? Und es scheint sie sehr zu bewegen dass jemand von ihr in den Nächten träumt, und sie fragt was in den Träumen passiert ist, und ich sage ich schäme mich, und sie sagt es bleibt unter uns ein Geheimnis, und ich sage dass es sogar vor mir selbst ein Geheimnis ist, aber in meinen Augen gibt es nichts Schöneres, du sollst wissen dass du wie eine Venus-Statuette bist, du bist Venus - von Willendorf. Und sie sagt was, was ist eine Statuette, woher sagtest du? Und ich sage dass man früher wusste, die Alten, das ist der natürliche Geschmack des Menschen, und alles heute ist nur Gehirnwäsche, aber es gibt nichts Schöneres, Anziehenderes (und im Kopf ergänze ich: als die Tochter der Nachbarn). Und sie ist sehr nah im Bett und sehr warm unter der Decke wo wir uns verstecken und brennen und ohne Bewegung flüstern, und sie berührt sanft mein Regenrohr und fragt: Was meinst du, was gibt es Anziehenderes nicht? Und ich flüstere in ihr dickes Ohrläppchen (schwer das Loch zu finden, noch dazu im Dunkeln), hinter den Kinnen: als vollschlanke Frauen. Und sie ist erschüttert, kann es nicht glauben, schreit: Was, was? Raus aus meinem Zimmer du Frecher, jetzt durchs Fenster raus! Und vergiss nicht dein armseliges Regenrohr wieder an die Wand zu bringen. Und ich flehe auf Knien: Was? Was? Was habe ich gesagt. Und sie schreit mitten in der Nacht, dass der Nachbar ihr durchs Fenster mitten im Traum reingekommen ist, und die Deutschen im Treppenhaus hören es und brechen die Tür auf, und sie schauen sie nackt an und sie sagt: Dieser Jude hat meine Ehre geschändet, so ein unschuldiges Mädchen wie ich (was Mädchen? Du bist älter als ich, und niemand hat dich geheiratet!). Und der Deutsche weiß nicht was von ihm in der Situation erwartet wird, er ist etwas verlegen von dem überfließenden Fett im Gegensatz zu meiner tödlichen Magerkeit, es sieht wirklich aus wie eine widernatürliche Paarung (oder ziehen sich Gegensätze an?), und er versucht sich zu erinnern was die Befehle in so einem Fall sagen, vielleicht wurde es gesagt als er nicht aufpasste, und am Ende fühlt er sich etwas peinlich lächerlich, aber das schießt gerade einen Funken kindischer Verspieltheit in ihn, und deshalb lächelt er mich an - und schießt mir in die enttäuschten Hoden. Und ich sehe nichts mehr in den Augen vor lauter Schmerzen, nur Dunkelheit, und weiß deshalb nicht einmal dass er mir danach zwischen die Augen geschossen hat, und denke dass ich an den Hodenschmerzen sterbe, und dass das eine sehr originelle Art ist im Holocaust zu sterben, obwohl mein Tod völlig banal ist.
Und sie lächelt: Nein, gnädige Frau ist in Ordnung. Lass dich nicht verwirren. Ich weiß dass wir uns in einer verwirrenden Situation befinden. Und ich sage: Ich bin wirklich verwirrt, gnädige Frau. Und sie sagt sachlich: Also nein. Jetzt wirst du in meinem Zimmer aufwachsen, ohne hier rauszugehen, bis zum Ende des Krieges. Meine Eltern kommen fast nie in mein Privatzimmer, und du versteckst dich wenn ich nicht da bin - in der Matratze. Und wenn ich im Zimmer bin, bringe ich dir Essen. Meine Eltern sind es gewohnt dass ich im Zimmer esse, und glaub mir niemand wird merken dass ich mehr esse, und vielleicht ist das sogar eine gute Diät für mich noch einen Mund zu füttern. Und so wirst du den Krieg überleben. Und erst am Ende wirst du durch die Tür gehen - nachdem du durchs Fenster reingekommen bist. Und ich bin überwältigt von ihrer Praktikabilität und Aufopferung, und weiß nicht wie ich ihr danken soll. Und sie sagt: Du wirst mir später danken. Und ich sage: Ich werde alles tun! Und sie lacht: Alles? Und ich sage, aufrichtig, gebe mich ganz meiner Retterin hin, durch deren Gnade ich überleben werde: Alles alles. Und sie denkt über alles nach: Ich werde dir eine Sandkiste bringen, wo du deine Notdurft verrichten kannst, und ab und zu werde ich unter meinem Kleid einen weiteren Sandbeutel reinbringen, oder einen Beutel rausbringen den du aus dem Sand sammelst, so kannst du im Haus leben wie eine große Hauskatze. Und ich miaue: Miau, gnädige Frau. Und sie ist zufrieden, warnt aber: Du wirst keine freche Katze sein, sondern eine gezähmte, weil ich mich im Zimmer aus- und anziehen muss, und auch all die Dinge einer Frau tun muss. Also konzentrierst du dich auf deine Milchschüssel, die ich dir jetzt bringe wenn sie schlafen, von den Resten des Abendessens. Und sie zwinkert: Du leckst doch gerne, oder? Jede alternde Jungfer braucht so einen, ich wollte immer eine Katze - hatte nicht gehofft dass ich so eine große bekomme! - aber meine Eltern haben es nicht erlaubt (du wirst noch meine Mutter kennenlernen, und hören wie sie meinen Vater herumkommandiert, also sei auf Geschrei vorbereitet). Und ich zittere vor lauter Aufregung, was für eine Nacht, in der sich mein ganzes Leben umgedreht hat und ich vom Juden zur Katze wurde, und vom wandelnden Toten zum Haustier. Und sie spürt das Zittern im Bett und umarmt mich fest: Oh, du bist so kalt, du kannst aufhören zu zittern, keine Sorge es wird gut, ich werde für dich sorgen wie eine Schwester, wie deine Tochter, wie deine Mutter. Wir werden uns auch im harten Winter zusammen kuscheln und uns in den Nächten nicht kalt sein. Und ich spüre wie ich in ihren warmen Armen schmelze, und verstehe nicht wie so ein Wesen überhaupt kalt sein kann, und versuche wirklich zu begreifen was für ein Wesen das ist (das ist schwer weil sie doppelt so groß ist wie ich), denn wenn man ihr Gesicht betrachtet, ohne die Doppelkinne und was darunter ist, in dieser gedämpften Beleuchtung, ist sie wirklich noch ein junges Mädchen, bei dem unklar ist warum sie nie geheiratet hat. Und ich werde von Mitleid für meine überraschende Retterin erfüllt, verstehe plötzlich dass gerade sie versteht was Mitleid ist, und dass wenn ich durchs Fenster einer begehrten Frau gefallen wäre - ich bei den Deutschen gelandet wäre. Und ich umarme sie fest (sie hat zwar schon das Nachthemd über die Brüste gezogen, aber bei der Größe kann man sie nicht nicht spüren), und sage bewegt: Ich weiß nicht was ich sagen soll, du bist wunderbar, wirklich! Und sie sagt: Ich wollte immer einen kleinen Bruder, oder ein Kind um das ich mich kümmern kann, aber ich hatte keines, also ist das vielleicht meine Chance. Du weißt dass ich von Beruf Krankenschwester bin, oder? Und ich sage zu ihr meine Schwester, und fühle dass zwischen uns ein unzerbrechlicher Bund entstanden ist, und dass sie sich wirklich um mich kümmern wird, schließlich rettet sie Leben. Und sie umarmt und sagt: Du bist so klein, hab keine Angst, ich mag sie klein. Und dann passiert das Unglück, ich bin sehr eng an sie gepresst und es gibt keine Möglichkeit es zu verbergen, denn der Kleine wacht auf, beginnt sich zu verhärten, und ihr eigener Blick beginnt sich zu verhärten, und ich weiß nicht ob sie versteht, aber er macht sein eigenes Ding, springt mit irgendeinem eigenständigen Lebenswillen, wird immer dicker wie ein neuer Knochen der mir im Körper wächst, und sie begreift plötzlich, und stößt mich weg, bricht in Geschrei mitten in der Nacht aus: Igitt, du Widerling! Ist das was du denkst? Männer! Schäm dich, selbst diese Situation versuchst du auszunutzen? Dass ich bereit war dich zu retten? Hättest du mich am Ende hier im Zimmer auch vergewaltigt? Komm alleine klar, sagt sie und schaut auf sich und mich, erschüttert von der teilweisen Nacktheit, davon dass sie mich berührt hat, von dem Vertrauen das sie mir gegeben hat, wie leicht man sie ausnutzen kann (das weiß sie), und befiehlt mit eisiger Kälte: Du gemeiner Kater, spring aus dem Fenster wie du reingekommen bist, dein Platz ist auf der Straße. Und ich höre dass ihre Eltern schon kommen um zu klopfen, und schäme mich vor ihr und vor ihnen, auch wenn ich sie nicht kenne, sogar mehr als ich die Deutschen fürchte, die sicher nach ihnen kommen werden, und verstehe dass es nur einen letzten Weg gibt ihre Ehre zu retten, und Güte und Gnade und Mitleid zu erwidern jemandem der es vielleicht nicht ganz verdient, aber auch die Absicht zählt, und für einen Moment war sie mir wirklich Mutter und Schwester, und so werde ich auch in ihren Augen die Würde wiederherstellen. Schließlich weiß ich, ich bin sowieso verloren, das Ende ist bereits bestimmt und nur der Weg zählt noch, also warum nicht wenigstens ritterlich handeln, wie ein Mann, und es schön beenden. Und ich schreite wie ein deutscher Soldat - aus dem Fenster hinaus.